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Durchbruch für Gebäudetyp-e auf Bundesebene

Justizminister Buschmann legt Entwurf zur Umsetzung im Architekten- und Bauvertragsrecht vor

11.07.2024 - Berlin / München

Durchbruch für Gebäudetyp-e auf Bundesebene

Das Bundesjustizministerium hat am 11. Juli 2024 erste Vorschläge zur zivilrechtlichen Flankierung des Gebäudetyp-E geteilt. Mit dem Gebäudetyp-E-Gesetz soll einfaches und innovatives Bauen in Deutschland erleichtert werden. Der Planungsansatz, den die Bayerische Architektenkammer angestoßen und die Bayerische Ingenieurekammer-Bau von Beginn an unterstützt hat, reduziert die Normenflut und schafft Handlungsspielräume beim Planen und Bauen.

Bauen in Deutschland ist derzeit zu kompliziert und zu teuer. Das liegt auch am geltenden Bauvertragsrecht. Es trägt dazu bei, dass Neubauten oft sehr hohen Standards genügen müssen. Mit dem Gesetz soll es einfacher werden, beim Neubau auf die Einhaltung von Standards zu verzichten, die für die Wohnsicherheit nicht notwendig sind. Der Neubau von Wohnungen soll dadurch bezahlbarer werden. Gleiches gilt für den Um- und Ausbau sowie die Instandsetzung von Bestandsbauwerken.

Mehr Rechtssicherheit

Mit dem Gebäudetyp E soll mehr Rechtssicherheit für mehr Wahlfreiheit geschaffen werden. Die Entscheidung des Bundesjustizministeriums, das BGB im Sinne der Initiative Gebäudetyp-e anzupassen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. „Einfaches“ oder „experimentelles“ (Um)Bauen nach dem Gebäudetyp-e ist suffizient und damit kostengünstiger und nachhaltiger.

Angesichts hoher Baukosten und Wohnraummangels war eine Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches dringend notwendig. Mit der vorgesehenen Änderung von §§ 650 a ff BGB wird fachkundigen Unternehmen und ihren Planern ermöglicht, gezielt für das jeweilige Vorhaben Vereinbarungen zu treffen, ohne die derzeit noch als anerkannte Regeln der Technik bestehenden Normen immer vollumfänglich beachten zu müssen.

In Bayern gilt bereits seit August 2023 ein „Recht auf Abweichung“ in Art. 63 der Bayerischen Bauordnung. Im Dezember 2023 starteten nach einem Beschluss des Bayerischen Landtags 19 Pilotprojekte in Bayern, die den Gebäudetyp-e in der Praxis erproben und weiteren Regulierungsbedarf identifizieren.

Auf Bundesebene wurde entsprechend dem bayerischen Modell die Musterbauordnung angepasst. Die notwendige zivilrechtliche Flankierung des Gebäudetyp-e durch das Bundesjustizministerium stand jedoch bislang noch aus.

Günstiger, einfacher und unbürokratischer

Bundesjustizminister Marco Buschmann: „Wir wollen Bauen günstiger, einfacher und unbürokratischer machen. Wir setzen dabei am Bauvertragsrecht an. Gutes Wohnen hängt nicht davon ab, dass immer jede einzelne DIN-Norm eingehalten wird. Der Gebäudetyp-E ist die richtige Antwort auf die stark gestiegenen Baukosten. Fachleute schätzen, dass sich dadurch bis zu 10 Prozent der Herstellungskosten einsparen lassen.“

Der Entwurf für das Gesetz zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus sehe vor, die Regeln für die Errichtung von Wohngebäuden zu entschlacken, um den Wohnungsbau anzukurbeln.

Die Bundesingenieurkammer und die Bayerische Ingenieurekammer-Bau hatten sich gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer und der Bayerischen Architektenkammer dafür eingesetzt, mit dem „Gebäudetyp-e“ eine vereinfachte Abweichung von bauaufsichtlich eingeführten Technischen Baubestimmungen und allgemein anerkannten Regeln der Technik (aRdT) zu ermöglichen. Damit soll bei Gebäuden eine Abweichung von den in Deutschland hohen Baustandards erreicht werden, die durch die fortschreitende Normierung und Regulierung das Bauen zusätzlich verteuert.

Die Bundesingenieurkammer war dabei auch in der beim Bundesministerium der Justiz (BMJ) eingesetzten Arbeitsgruppe vertreten, um die Möglichkeiten einer zivilrechtlichen Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch zu erörtern. Diese war zuletzt auch in einem Treffen mit Bundesjustizminister Buschmann am 17. Mai 2024 von der Bundesingenieurkammer und der Bundesarchitektenkammer nochmals gefordert worden.

Auch Bayerns Bauminister Christian Bernreiter begrüßt den Gesetzentwurf für einfacheres Bauen. „Es wurde höchste Zeit, dass das Bundesjustizministerium endlich einen Regelungsvorschlag zur Änderung des Bauvertragsrechts erarbeitet. Aus unserer Sicht ist die geplante Gesetzesänderung längst überfällig, damit das Bauen im Sinne des Gebäudetyp-E rechtssicher gelingen kann. Auf Initiative Bayerns hatte der Bundesrat diese Forderung bereits im Mai 2023 an den Bundesjustizminister herangetragen“, so Bauminister Christian Bernreiter zur Augsburger Allgemeine.

Prof. Dr. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau: „Wir freuen uns sehr, dass der Gebäudetyp-e mit dem von Bundesjustizminister Buschmann vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung des Bauvertragsrechts im BGB jetzt weiter Fahrt aufnimmt. Hier in Bayern arbeiten wir aktuell mit 19 Pilotprojekten an der praktischen Umsetzung, da kommt der Gesetzesentwurf gerade passend. Der Gebäudetyp-e bietet die Möglichkeit, aus dem engen Korsett an Normen, die für die Bauwerkssicherheit nicht zwingend erforderlich sind, auszubrechen. Damit können wir einen wichtigen Beitrag leisten, um das Bauen einfacher, schneller, aber auch nachhaltiger und ressourcenschonender zu gestalten und so mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen."

Prof. Lydia Haack, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer: „Endlich hat das Bundesjustizministerium reagiert, um die notwendige Rechtssicherheit für den Gebäudetyp-e zu schaffen. Die Bayerische Architektenkammer hat mit viel Elan und Ausdauer auf die Umsetzung ihrer Initiative hingewirkt, dieses Engagement zahlt sich jetzt aus. Mein Dank gilt an dieser Stelle allen, die uns dabei auf Bundes- und Landesebene unterstützt haben, vor allem der Bundesarchitektenkammer und den Bayerischen Staatsministerien für Wohnen, Bau und Verkehr sowie der Justiz. Damit wird das Bauen in Deutschland insgesamt schneller, einfacher und kostengünstiger.“

Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer: „Mit dem Gebäudetyp-E-Gesetz könnten die planenden Berufe auch die notwendigen rechtlichen Gestaltungsspielräume erhalten, um mit ihren Kernkompetenzen das Bauen schneller und kostengünstiger zu ermöglichen. Unsere Ingenieurinnen und Ingenieure sind dafür ausgebildet, qualifiziert und erfahren, ihren Auftraggeberinnen und Auftraggebern die jeweils individuell optimalen Lösungen zu erarbeiten. Das Gebäudetyp-E-Gesetz, für das sich die Bundesingenieurkammer eingesetzt hat, wäre ein wichtiger Baustein, um aus dem Müssen wieder mehr ein Können werden zu lassen“

Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer: „Das ist ein großartiger berufspolitischer Erfolg, der in enger Zusammenarbeit mit der Bundesregierung erlangt werden konnte. Ein sinnvolles Maß an Normierung und Standardisierung war schon längst überschritten. Nun kann der Gebäudetyp-E Fahrt aufnehmen. Ich bin mir sicher, dass wir in ein, zwei Jahren über viele spannende Best-Practice-Beispiele verfügen. Heute kann man von einer Zeitenwende für mehr Innovation und Einfachheit beim Bauen sprechen.“

Vorschläge des Bundesjustizministeriums

Folgende konkrete Vorschläge wurden am 11. Juli 2024 aus dem Bundesjustizministerium kommuniziert:

„Um einfaches und innovatives Bauen zu erleichtern, soll das Bauvertragsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geändert werden. Es soll einfacher möglich sein, rechtssicher auf Baustandards zu verzichten, die für die Gebäudesicherheit nicht notwendig sind und die gesetzlich nicht zwingend sind. Das Gebäudetyp-E-Gesetz ändert also nichts an den öffentlich-rechtlichen Vorgaben, die alle Bauvorhaben einhalten müssen.

Das Gebäudetyp-E-Gesetz sieht im Wesentlichen drei Änderungen des Bauvertragsrechts vor: 

  1. der Begriff der „anerkannten Regeln der Technik“ soll konkreter gefasst werden. Es soll erreicht werden, dass reine Komfort-Standards im Allgemeinen nicht als „anerkannte Regeln der Technik“ gewertet werden; 
  2. ferner soll in Verträgen zwischen fachkundigen Unternehmern die Abweichung von „anerkannten Regeln der Technik“ erleichtert werden;
  3. schließlich soll ein Abweichen von „anerkannten Regeln der Technik“ nicht mehr automatisch ein Sachmangel sein.“

Und weiter: „Im BGB soll eine neue Vermutungsregelung geschaffen werden, die auf alle Bauverträge Anwendung finden soll. Künftig soll die Vermutung gelten, dass reine Ausstattungs- und Komfortstandards keine „anerkannten Regeln der Technik“ sind; für sicherheitsrelevante technische Normen soll eine gegenteilige Vermutung gelten.“

Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung wird bisher für ein mangelfreies Werk nach § 633 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) grundsätzlich die Einhaltung der sogenannten anerkannten Regeln der Technik geschuldet. Dadurch sind derzeit weder innovative Bauweisen (die noch nicht „anerkannt“ sind), noch ein Verzicht auf Komfort- und Ausstattungsmerkmale rechtssicher möglich. Dadurch werden in der Praxis innovative und kostenreduzierende Bauausführungen erschwert.

Künftig soll in Bauverträgen (Gebäude und Außenanlagen) zwischen fachkundigen Unternehmen die bisherige Aufklärungspflicht entfallen, wenn eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, die für das Bauwerk die Abweichungen entsprechend verbindlich und konkret beschreibt.

Zusätzlich soll das Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik nicht mehr grundsätzlich einen Sachmangel darstellen, sofern Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit gewährleistet bleiben, die Gleichwertigkeit der Ausführung gewährleistet ist und vor Ausführung über die Abweichung informiert wird.

Durch eine neue Vermutungsregel sollen künftig nur noch sicherheitsrelevante Bestimmungen zu den anerkannten Regeln der Technik gehören, hingegen Komfort- und Ausstattungsmerkmale nicht mehr.

Hintergrund

Architekten und Ingenieure tragen beim Planen und Bauen die Verantwortung für ein mangelfreies Werk. Neben dem Bauordnungsrecht definieren die sogenannten „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ den Mindeststandard, unter dem ein Werk als mangelfrei gilt. Die Planenden sehen sich einer Vielzahl von Normen gegenüber, die sie bislang als Mindeststandard einhalten müssen, um nicht für ein mutmaßlich mangelhaftes Werk haften zu müssen. In vielen Bereichen ist der Mindeststandard zu einem hohen Komfortanspruch herangewachsen, etwa bei hohen Anforderungen im Schallschutz oder bei der technischen Gebäudeausstattung. Das enge Normenkorsett beinhaltet inzwischen über 3.900 baurelevanten Normen, die das Bauen über die Maßen komplex und teuer machen.

Der Planungsansatz „Gebäudetyp-e“ ermöglicht Architekten und Ingenieuren mehr Handlungsfreiheit beim Bauen, Umbauen und Sanieren. Er orientiert sich primär an den Schutzzielen der bayerischen Bauordnung, die eingehalten werden müssen: Brandschutz, Standsicherheit, Nachhaltigkeit/Wärmeschutz und Barrierefreiheit. Darüber sind durch den Gebäudetyp-e viele Vereinfachungen möglich, denn Bauherren, Architekten, Ingenieure und Bauunternehmer sind nicht mehr gezwungen, sich an das umfassende Normenkorsett zu halten: Sie können miteinander vereinbaren, welche Normen für ihr Projekt hinreichend sind.

Vorhaben, die sich an das Leitbild des Gebäudetyp-e halten, zeichnen sich durch ein hohes Maß an Suffizienz und konstruktiver Intelligenz auf allen Ebenen aus. Konstruktionen sind einfach gehalten, flächensparend, haben ein hohes Maß an Gebrauchstauglichkeit und sind low-tech statt high-tech. Umbaumaßnahmen und Sanierungen im Bestand werden einfacher und Bauvorhaben insgesamt klimaschonender und kostengünstiger.

Weitere Kommentare

Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe e.V. Foto: ZDB

Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe e.V.:
„Als Deutsches Baugewerbe unterstützen wir das Bestreben der Bundesregierung, Baukosten zu senken, um so den kriselnden Wohnungsbau anzukurbeln. Zu lange haben wir uns in Deutschland an Goldstandards bei technischen Bauvorgaben gewöhnt, wodurch Bauvorhaben immer anspruchsvoller und damit kostenintensiver geworden sind. Der Gesetzentwurf kann ein Weg sein, den Menschen in Deutschland die Freiheit zu geben, das zu bauen, was sie wollen und brauchen - und was sie auch bezahlen können. Es muss wieder möglich sein, dass (Sicherheit-)technisch Notwendige zu bauen und nicht immer nur das technisch absolut Machbare. Wir meinen, dass dies am besten erreicht werden kann, wenn die Länder den Gebäudetyp E durch entsprechende Vorgaben in ihren Landesbauordnungen unterstützen.”

Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V. Foto: HDB

Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V.:
„E wie einfaches Bauen – das ist ein wichtiger Lösungsansatz für bezahlbares Wohnen in Deutschland und kann dazu beitragen, Baukosten wieder auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. In den letzten Jahrzehnten wurden Anforderungen an die Gebäude aus Unsicherheit in der Rechtsprechung immer weiter nach oben geschraubt und das Bauen unnötig verteuert. Aus rein technischer Sicht war und ist dies nicht sinnvoll gewesen, einfaches Bauen wäre auch so immer möglich gewesen. Der Referentenentwurf des Bundesjustizministers für den Gebäudetyp E soll nun eine neue Rechtssicherheit schaffen und klarstellen, dass kein Mangel vorliegt, sollten mal nicht alle Normen im Sinne der sog. ,anerkannten Regeln der Technik’ beim Bau eines Gebäudes eingehalten werden. Dies hat in der Vergangenheit zu einem typisch deutschen Juristenphänomen geführt, dem Mangel ohne Schaden – unerklärlich für jeden Otto Normalverbraucher. Ob der Entwurf das gewünschte Ergebnis herbeiführen wird, werden wir genau prüfen.”

Quellen: Bayerische Architektenkammer, Bayerische Ingenieurekammer-Bau, Bundesingenieurkammer, Bundesarchitektenkammer, Bundesjustizministerium, Deutsches Ingenieurblatt, Augsburger Allgemeine, Zentralverband Deutsches Baugewerbe e.V., Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., Grafik Logo Gebäudetyp-e: Bayerische Architektenkammer, Portraitfotos: Dominik Buschmann, Atelier Krammer / STMB, Tobias Hase, Bayerische Architektenkammer, Bundesingenieurkammer, Laurence Chaperon / BAK, ZDB, HDB

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